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Das Volk erzählt - Bericht über das vermutliche Originalrotkäppchen

Ein Artikel von Sehpferd © 2008 by sehpferd

Der Ursprung aller Rotkäppchenmärchen liegt in einer mündlich überlieferten Erzählung, deren Wurzeln vermutlich in Italien liegen. Es heißt "die falsche Großmutter" und enthält den Kern der Geschehnisse im Haus der Großmutter, wie sie später auch von Perrault niedergeschrieben wurden - mit der Ausnahme, dass sich das deutlich lebenstüchtigere Mädchen selbst aus den Klauen des Ungeheuers befreien kann.

Die Geschichte vom Rotkäppchen, wie sie das Volk einst erzählte

Allen Rotkäppchenmärchen zugrunde liegt mit großer Wahrscheinlichkeit ein im italienischen und französischen Sprachraum bekanntes Original, das "Die Falsche Großmutter" genannt wird. Dabei muss die Tochter zur Großmutter gehen, um etwas für die Mutter zu besorgen. Die Tochter nimmt aus eigenem Antrieb etwas Wegzehrung mit: Kuchen, Brot und Öl.

Die Nahrungsmittel benutzt sie, um Tauschmittel zu haben, denn der Weg ist beschwerlich, weil zahlreiche Hindernisse zu überwinden sind. Das Mädchen verhandelt mit verschiedenen Hindernissen und bezahlt mit den Nahrungsmitteln als Geldersatz.

Im Haus der Großmutter erwartet sie ein wolfsähnliches Ungeheuer: Es hat die Großmutter bereits zuvor verspeist und lediglich die Ohren und Zähne übrig gelassen. Das Mädchen erkennt dies jedoch zunächst nicht. Die "falsche Großmutter" nötigt das Mädchen, sich zu entkleiden und zu ihr ins Bett zu kommen, was das Mädchen nach anfänglichem Zögern auch tut.

Dort beginnt dann der berühmte Dialog, doch wird das Mädchen misstrauisch: Großmutter mag ja noch erzählen, dass ihre Brust so haarig ist, weil sie zu viele Halsketten getragen hat, und ihre Hüften, weil sie zu enge Korsetts getragen hat, doch als sie bemerkt, dass die Großmutter einen Schwanz hat, erkennt sie ihren Fehler und beschließt, das Ungeheuer zu überlisten: Das Mädchen verschwindet unter dem Vorwand, zunächst noch urinieren zu müssen. Wieder hat das Mädchen "verhandelt", wieder hat es gewonnen, doch nun löst es das Geschäft nicht ein: Um das eigene Leben zu retten, wird das gegebene Versprechen nicht eingehalten: Das Mädchen flieht.

Zwar bemerkt das Ungeheuer schnell, das ihm das Mädchen entwischt ist, doch kann es sich retten: Die Tauschgeschäfte, die es mit den Nahrungsmitteln gemacht hat, erweisen sich auch beim Rückweg als tragfähig und alle Bemühungen des Ungeheuers, dem Mädchen diesen Weg zu verstellen, scheitern.

Sehpferd: Ein Märchen mit sinnreicher Moral

Im Gegensatz zu den gängigen Rotkäppchenversionen, die eine marode und zudem unzutreffende Moral enthalten, können wir aus dem italienischen Ursprungsmärchen auch heute noch allerlei lernen. Seltsamerweise gilt also, was älter ist, auch heute noch, während die neueren Versionen, die auf ganz bestimmte Situationen Bezug nehmen, sehr schnell veraltet sind.

Die Grundlagen sind:

Erstens: Das Gesetz des eigenen Handelns darf niemals aus der Hand gegeben werden

Die Moral besteht darin, dass man vorsorgend handeln kann, wenn man etwas zu tun beabsichtigt (das Kind nimmt Geschenke als Tauschmittel mit) und dass es selbst dann noch Handlungsmöglichkeiten gibt, wenn sich eine Lage beinahe als aussichtslos erweist (das Kind befreit sich aus den Klauen des Ungeheuers).

Zweitens: Geschicktes Verhandeln hilft, den Erfolg zu sichern

Dreimal wird über einen Durchgang verhandelt: Jedes Mal wird dabei auch ein Obulus entrichtet, und dies wird auch belohnt. Das letzte Mal wird mit dem Ungeheuer verhandelt, das auf einen Vorschlag hereinfällt: Dieser Handel wird nicht erfüllt, sonder das Mädchen flieht.

Drittens: Dem betrügerischen oder verbrecherischen Partner ist man nichts schuldig

Wer scheinbar aussichtslos verhandelt, darf auch "schmutzige Tricks" anwenden: Es gibt Situationen, in denen man besser nicht das "brave Mädchen" ist und sich nicht auch nosch schuldig fühlt, wenn man im Eigeninteresse handelt. Versprechen müssen nicht immer eingehalten werden, wenn sie zum eigenen Nachteil sind.

Sehpferd bemerkt zur Entwicklung des Märchens

Die "falsche Großmutter" musste von Perrault abgewandelt werden, weil die Moral für das höfische Märchenbuch nicht gepasst hätte: Das selbstständige Mädchen musste durch ein naiveres ersetzt werden, bei dessen Verführung der Wolf leichtes Spiel hatte. Die Grimms fügten später noch eine Verfehlung des Mädchens ein, so dass die Geschichte vollends "kippt".

Euer Autor Gebhard (sehpferd)

Auf in die Praxis:

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